Psychosomatische Beschwerden heilen
Wenn wir unter Beschwerden/Schmerzen leiden, die keine organische Ursache haben, dann sprechen wir von psychosomatischem Leiden. Die Konflikte, die auf unserer Psyche lasten, werden auf der körperlichen Ebene zum Ausdruck gebracht. Dadurch wird unsere Seele entlastet und wir sind durch diese Beschwerden von den unerträglichen seelischen Schmerzen verschont und abgelenkt. Dieses ist ein Schutzmechanismus, der das seelische Leiden in ein körperliches umwandelt.
Die Beschwerden sind dabei so real, dass die Betroffenen irgendwann zum Arzt gehen. Dort wird nichts gefunden und dadurch entsteht zwar eine kurze Erleichterung, (man ist nicht sterbenskrank), aber die Beschwerden sind nach wie vor da.
Sie beeinträchtigen den Alltag, beeinflussen die Lebensqualität und so entsteht die Annahme, es könnte sein, dass der Arzt etwas übersehen hätte. So gehen die Betroffenen zu einem anderen Arzt und so kommt es zum s.g. Ärztehopping. Das alles soll nach den Krankenkassen enorme Kosten für das Gesundheitssystem verursachen.
Meine Meinung: Auch wenn man vermutet, dass es einen Auslöser für diese Beschwerden gibt, z.B. Stress am Arbeitsplatz, die Wurzeln liegen in der frühen Kindheit. Damit ist das Bewältigungs- und Reaktionsmuster gemeint, dass in einem zarten Alter zustande kommt und den Betroffenen nicht bewusst ist.
Anja hat seit ihrer Kindheit oft unerklärliche Bauchschmerzen mit Übelkeit. In diesem Zustand kann sie nichts essen. Im späteren Erwachsenenleben kamen unterschiedliche Beschwerden dazu. Sie spürt oft Druck und Schwere sowohl im Bauch als auch im Unterleib, zudem hat sie immer wieder Anspannungen im ganzen Körper und Kopfschmerzen, die oft unterschwellig sind. Es gibt Phasen mit Rücken- und Schulterproblemen, alles ohne Befund. Sie hat sich wegen Verdauungsbeschwerden auf Allergien testen lassen. Wegen Unverträglichkeiten meidet sie viele Nahrungsmittel und hat einige Zeit lang Essprotokolle geführt. Das alles brachte eine vorübergehende Erleichterung ohne nachhaltige Ergebnisse.
Dabei hat sie sogar gewisse Widersprüche entdeckt: Milchprodukte verträgt sie normalerweise nicht, aber es ist mehrmals vorgekommen, dass sie mit ihrer Freundin zusammen an einem schönen sommerlichen Tag eine gute Portion Eis genoss und das ohne Beschwerden. Das kann sie sich nicht erklären. Ihre Familie ist in ihre Leidensgeschichte einbezogen und macht alles mit.
Wie kann Anjas Problem gelöst werden?
Als sie zu mir kommt, ist sofort klar, dass ihre Fähigkeit, sich zu beobachten und Zusammenhänge zu erkennen, durch ihre Leidensgeschichte geschult ist. Diese Fähigkeit nutzen wir dafür, dass sie jetzt für eine Weile ihr Körpergefühl und ihre Haltung beobachtet. Die Ergebnisse sind folgend: Sie ist sogar bei einfachen Tätigkeiten, wie z.B. Telefonieren angespannt. Wenn sie auf dem Sofa liegt und einen spannenden Film guckt, passiert das Gleiche. Durch Beobachtung stellt sie fest, dass bestimmte Szenen bei ihr diese körperlichen Spannungen verursachen. Dies sind die Szenen, bei denen sie emotional dabei ist. Sie stellt fest, dass sie dabei oft unnötig in einer ungünstigen Pose verharrt, und so kann es sein, dass sie nach einer Stunde auf dem Sofa mit Knie- und/oder Rückenschmerzen aufsteht. In bestimmten Situationen merkt sie, dass sie den Atem anhält und den Bauch anspannt. Problematisch ist, dass diese Anspannung bei ihr lange erhalten bleibt. Ihre angespannten Muskeln entspannen sich schwer wieder.
Kurz gesagt: Bestimmte Gefühlsregungen, die oft unbewusst ablaufen, verursachen andauernde Anspannungen in unterschiedlichen Teilen des Körpers.
Was kann ihr helfen?
Durch Achtsamkeit kann sie die Entstehung der Anspannungen reduzieren und durch Entspannungsübungen tagsüber und/oder am Ende des Tages die Anspannung bewusst lösen.
Klüger wäre aber der Weg, der ermöglichen würde, dass möglichst wenig andauernde Anspannungen entstehen. Das würde bedeuten, herauszufinden, was genau diese Anspannung verursacht und das Reaktionsmuster zu verändern. In diesem Fall verändern wir nicht die Resultate, sondern die Wurzel der Problematik.
Anja möchte es selber mit dem ersten Weg versuchen. Und das ist verständlich. Wir glauben oft, dass wir viel Macht über unsere Gewohnheiten haben. Die Macht haben wir tatsächlich, nur ist sie oft durch den Verstand/Kopf nicht gut erreichbar.
In unserem Unterbewusstsein tiefverwurzelte Muster sind meistens stärker als der Wille. In diesem Fall kämpfen wir gegen uns, gegen unser Unterbewusstsein. In diesem kräftezehrenden Kampf ist es für unseren Verstand sehr schwer, auf Dauer zu gewinnen. Weil der Verstand gegen die Ergebnisse kämpft, während die wahren Gründe unbewusst und unbehandelt bleiben.
Mit Anja vereinbarte ich ein Programm mit Achtsamkeits- und Entspannungsübungen. Das brachte eine Linderung aber nicht die dauerhafte Lösung. Sie berichtet, dass es nicht möglich sei neben all den Tagespflichten auch sich selbst andauernd zu beobachten und sich zu entspannen. Das könne nur funktionieren, wenn sie sich den ganzen Tag nur mit sich selbst beschäftigen würde. Jedes Mal, wenn die Selbstkontrolle nachgelassen hat, fiel sie in ihr altes Muster zurück. Immerhin konnte sie durch die abendliche Entspannung viel besser schlafen.
Wie entstehen diese andauernden Anspannungen im Körper?
Meine Annahme ist folgend: In der Kindheit, in einem Alter, in dem wir von Erwachsenen abhängig sind, entstehen in der Beziehung unterschiedliche Gefühle. Wenn diese Gefühle in irgendwelcher Form nicht zum Ausdruck gebracht werden können, sondern andauernd unterdrückt und als geballte Energie (dies könnte z.B. sein: Trauer, Wut, Scham, Ärger, Verzweiflung, Ohnmacht, Druck, Frust, Versagensängste… ) zurückgehalten wird, dann entsteht ein Reaktionsmuster, das die zarte Kindesseele schont und das Problem auf die körperliche Ebene verlagert. Neben dieser Entlastung bekommt das Kind oft mehr Zuwendung und Nachsicht. Das festigt dieses Muster und es wird verinnerlicht und automatisiert.
Als Erwachsene reagieren wir mit diesem unbewussten automatisierten Muster jedes Mal, wenn diese Reaktion durch ein Gefühl, das diesem Muster zugrunde liegt, getriggert wird. Z.B. das Kind hat Eltern, die ihm gegenüber hohe Erwartungen haben. Es wächst auf mit Druck, Versagensangst und dem Gefühl, nicht gut genug zu sein. Es versucht seinen Eltern gerecht zu werden und ist stets angespannt, um die Erwartungen zu erfüllen. Später als Erwachsener wird er versuchen Erwartungen zu erfüllen, sich selbst unter Druck zu setzen oder setzen zu lassen und täglich andauernde Anspannungen zu produzieren. Dies kann zu unterschiedlichen körperlichen Problemen führen. Es ist ein falscher Weg, die so entstandenen Beschwerden mit Medikamenten ruhig zu stellen, es sei denn, es handelt sich um einen akuten Fall.
Die Lösung ist, das Muster zu entschlüsseln und es zu transformieren. Dafür müssen wir unseren Autopiloten im Unterbewusstsein teils umprogrammieren. Ich möchte dies an einem einfachen Beispiel veranschaulichen.
Nehmen wir an, Du hast einen Garten. Im Garten hast Du einen einfachen Pfad, der zum Gartenhaus am Ende des Gartens führt. Nun möchtest Du Deinen Garten mit neuen Pflanzen umgestalten und der Pfad soll ja anders laufen. Wenn Du einfach beschließt, den neuen Pfad statt des alten Pfades zu benutzen, dann musst Du Dich am Anfang sehr kontrollieren und bewusst den neuen wählen. Wenn Du müde oder abgelenkt bist, dann wirst Du mit großer Wahrscheinlichkeit immer wieder den alten Weg entlanglaufen. Wenn Du aber den neuen Pfad richtig anlegst oder anlegen lässt, ihn mit Steinen und Dekoration markierst und den alten Pfad durch Bepflanzung unterbrichst, wirst Du Dir und Deiner Familie damit die Gewöhnung an den neuen Pfad leichter und angenehmer machen.
Den Autopiloten in uns brauchen wir fürs Funktionieren. Er erleichtert uns den Alltag. Manchmal ist es aber in unserem Interesse, bestimmte Teile von unserem Autopiloten umzuprogrammieren/zu verändern.
Für Anjas Beschwerden würde es bedeuten, dass wir durch innere Arbeit ihre Beschwerden beleuchten, um herauszufinden, warum und wie sie entstanden sind. Und dann lösen wir dieses Muster im Unterbewusstsein und verankern ein neues. Das Neue braucht einige Zeit, um gefestigt zu werden, damit das alte Muster nicht seine Macht zurückgewinnt.
Dieser Prozess ist nicht nur eine Behandlung der körperlichen Beschwerden, sondern eine tiefgreifende Erkenntnis über uns selbst: Wie wir funktionieren, und wie viel innere Macht wir doch haben. Das stärkt uns und jeder, der diesen Weg gegangen ist, weiß das zu schätzen.
Daher betrachte Deine Beschwerden als Wegweiser zu Dir selbst. Nimm sie dankend als Chance an: In der Kindheit haben sie Dich verschont, im Erwachsenenalter geben sie Dir eine Chance, sie in Deine innere Stärke zu verwandeln. Diese Chance zu erkennen und zu ergreifen – das sei uns allen gegönnt.
Herzlichst, Nana
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